Potenzialindex 2024

Digitalisierungspotenziale nach Lebensbereichen

Verwaltung

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Berufe in der öffentlichen Verwaltung und Sozialverwaltung üben beispielsweise Beschäftigte in Jugendämtern, Sozialämtern oder Rathäusern aus. Die Beschäftigten sind für Kommunen, aber auch für den Bund tätig. Hinzu kommen Verwaltungsangestellte wie Sekretariatskräfte in Unternehmen.

Insgesamt liegt das Digitalisierungspotenzial in Verwaltungsberufen bei rund 350 Tsd. Beschäftigten. Entsprechend weist die kreisfreie Stadt Bonn mit einem – als ehemalige Bundeshauptstadt – immer noch relevanten Anteil von Beschäftigten bei Bundesministerien das stärkste Digitalisierungspotenzial in der Verwaltung auf (Abbildung 9). Auch Regionen, die als Hauptsitz größerer Unternehmen genutzt werden, weisen ein hohes Digitalisierungspotenzial für den Bereich Verwaltung auf.

Abbildung 9: Digitalisierungspotenzial für den Bereich Verwaltung bis 2035
Reduzierter Fachkräftebedarf für Berufe im Bereich Verwaltung in % von allen Erwerbstätigen, bis 2035 auf Grundlage des Digitalisierungsszenarios


Quelle: Eigene Berechnung

Lesehilfe: Ein höherer Wert impliziert eine größeres Digitalisierungspotenzial im Vergleich zum gesamtdeutschen Wert.

Auch Landeshauptstädte wie Potsdam, Düsseldorf Berlin oder Frankfurt am Main könnten durch den stärkeren Einsatz digitaler Technologien in der Verwaltung die – voraussichtlich nicht erfüllbare - Nachfrage nach Arbeitskräften bis 2035 reduzieren.

Dagegen ist das Digitalisierungspotenzial in der Verwaltung in ländlichen Regionen und generell in Landkreisen mit einem starken industriellen Fokus oder mit einer ausgeprägten medizinischen Infrastruktur unterdurchschnittlich. Hierzu gehören beispielsweise die Landkreise Tuttlingen, Sonneberg oder der Saale-Orla-Kreis.

Digitalisierung verringert Zahl der Behördengänge

„Digitalisierung ist ein tolles Schlagwort, aber es muss auch konkret umgesetzt werden. In der kommunalen Verwaltung brauchen wir eine Harmonisierung der Schnittstellen. Hier kann ein strukturierter Erfahrungs- und Wissensaustausch Synergien schaffen.“

Alexander Handschuh, Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB)

Verwaltungsstrukturen in Deutschland sind in der Regel komplex aufgebaut und, verglichen mit privatwirtschaftlichen Organisationen, eher träge. Veränderungen werden entsprechend langsam angenommen und umgesetzt. Zwar gibt es in verschiedenen Bereichen bereits „Insellösungen“, die aber nicht systemübergreifend genutzt werden. Auch ist teilweise die digitale Kommunikation oder der Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Systemebenen und -bereichen aber auch mit der Privatwirtschaft durch schwer zugängliche Schnittstellen erschwert. Dies liegt einerseits am generell wenig agilen Verwaltungssystem, aber auch an fehlenden verpflichtenden Vorschriften zur Etablierung und Nutzung digitaler Lösungen.

Dabei bestehen in der öffentlichen Verwaltung gute Möglichkeiten für Effizienzsteigerungen, wie in den folgenden Beispielen dargestellt.

  • Die Möglichkeit, BAföG bundesweit online zu beantragen, gilt als erfolgreiches Umsetzungsbeispiel der digitalen Verwaltung. Dies erleichtert es Studierenden, den Antrag unkompliziert von überall aus einzureichen, ohne lange Wartezeiten und den traditionellen bürokratischen Aufwand in Kauf nehmen zu müssen.
  • Die digitale Ummeldung des Wohnsitzes, auch bekannt als elektronische Wohnsitzanmeldung (eWA), ist in einigen Bundesländern bereits verfügbar. Sie ermöglicht es Bürgern, ihren Wohnsitz online umzumelden, wodurch zeitaufwändige Behördengänge entfallen und der Prozess erheblich beschleunigt wird.
  • Die Einführung der E-Rechnung (elektronische Rechnung) erleichtert die Administration und Verwaltung von Rechnungsprozessen. Unternehmen und Verwaltungseinheiten können Rechnungen digital erstellen, versenden und empfangen, was den Papierverbrauch reduziert, die Bearbeitungsgeschwindigkeit erhöht und die Fehleranfälligkeit minimiert.
  • Die Nutzung von Cloud-Technologien ermöglicht eine bessere Datenverfügbarkeit und Flexibilität innerhalb der Verwaltung. Multi-Cloud-Strategien und sichere Datenlagerung sind zentrale Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, um systemübergreifende Prozesse zu optimieren und Datensilos abzubauen.
  • Die Schaffung einer einheitlichen digitalen Identität und elektronischen Signatur ist wichtig, um Bürgern und Unternehmen sichere und effiziente Interaktionen mit den Behörden zu ermöglichen. Eine breite Umsetzung dieser Tools kann die Interaktion zwischen Bürgern und Behörden erheblich vereinfachen.

Angesichts der ungünstigen Ausgangsposition der öffentlichen Verwaltung im Wettbewerb um Fachkräfte ist es wichtig, Mitarbeitende insbesondere von repetitiven Aufgaben zu entlasten. Das ist wichtig, da zukünftig voraussichtlich eine größere Zahl an Fachkräften fehlen wird und die öffentliche Verwaltung ihre Leistungen nicht mehr vollständig erbringen kann.[20],[21] Dies betrifft den Einzelnen bereits heute, wie Berichte über lange Wartezeiten für Behördengänge verdeutlichen. Wenn die öffentliche Verwaltung sich stärker digitalisiert, zeigen sich positive Effekte für Alle. Dieser gesellschaftliche Nutzen der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung wird im Folgenden exemplarisch konkret greifbar gemacht.

„Eine moderne und gut funktionierende öffentliche Verwaltung ist ein wichtiges Element, um Vertrauen in das Funktionieren unserer Gesellschaft und unseres Staates aufrecht zu erhalten. Dazu müssen die Chancen der Digitalisierung trotz komplexer und vielschichtiger Verwaltungssysteme konsequenter genutzt werden.“

Dr. Jens Klessmann, Fraunhofer FOKUS

Zur Ableitung des konkreten Nutzens liegt der Fokus auf der Zahl und der Dauer von Behördengängen. Gemäß den Daten der Bundesagentur für Arbeit sind über 600 Tausend Menschen in der öffentlichen Verwaltung beschäftigt. Sie tragen die Verantwortung für eine Vielzahl von wichtigen Aufgaben, einschließlich der Bearbeitung von knapp 39 Millionen Behördengänge pro Jahr – von Kfz-An- und -Abmeldungen und Wohnsitzänderungen über Ausweisabholungen bis zu Anträgen auf Anwohnerparkausweise[22].

Die konsequente Implementierung digitaler Werkzeuge und Prozesse kann sowohl auf der Ebene der behördlichen Verwaltung als auch auf der Ebene des Bürgers erhebliche Vorteile bringen. Die Ergebnisse der Szenariorechnung zeigen, dass durch die konsequente Implementierung digitaler Lösungen in Verwaltungsberufen gut 46 Mio. Arbeitsstunden eingespart werden können (Abbildung 10).[23]

Abbildung 10: Digitalisierung spart Zeit in der Verwaltung


Quelle: Eigene Darstellung, Prognos 2024

Diese eingesparten Arbeitsstunden können für Tätigkeiten und die Bearbeitung von Aufgaben genutzt werden, die sonst aufgrund fehlender Fachkräfte nicht erledigt worden wären. Im Schnitt sind damit gegenüber dem Referenzszenario rund 1,8 Mio. zusätzliche Behördengänge möglich. Die Berechnungen von Bitkom zeigen, dass die durchschnittliche Wartezeit bei einem Behördengang 141 Minuten beziehungsweise knapp zweieinhalb Stunden beträgt. [24]

Dank der Digitalisierung können somit etwa 4,2 Millionen Stunden Wartezeit in der öffentlichen Verwaltung eingespart werden. Anders formuliert können durchschnittlich über 6 Minuten Wartezeit pro Behördengang eingespart werden.

Dies deutet darauf hin, dass die Digitalisierung nicht nur die Effizienz im öffentlichen Dienst erheblich verbessern, sondern auch die Kundenzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger deutlich erhöhen könnte.


Fußnoten

[20] SWR, 2024

[21] NeueWestfällische, 2023

[22] Welt, 2016

[23] Es wurden dabei nur Berufe der öffentlichen Verwaltung betrachtet.

[24] Bitkom e. V., 2024

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