Methodik der Szenariorechnung
Zur Bestimmung der Digitalisierungspotenziale in den Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland werden zwei Szenarien berechnet, ein Referenz- und ein Digitalisierungsszenario. In den Szenarien werden jeweils die regionalen Arbeitskräftebedarfe ermittelt. Der Unterschied zwischen den Szenarien ist die Annahme zum Grad der Digitalisierung. Im Referenzszenario wird eine „normale“ Digitalisierung angenommen. Bestehende Digitalisierungs-Trends in Deutschland werden in der Zukunft fortgeschrieben. Der Entwicklungspfad weicht hier nicht von den Trends der vergangenen Jahre ab. Im Gegensatz dazu wird im Digitalisierungsszenario eine Digitalisierung angenommen, die den Arbeitsmarkt stärker durchdringt und verändert als in den Trends der vergangenen Jahre. Die Differenz zwischen den beiden Szenarien zeigt das Digitalisierungspotenzial in den Landkreisen und kreisfreien Städten an. Im Folgenden werden die den Szenarien zugrundeliegenden Annahmen knapp erläutert.
Referenzszenario
Das Referenzszenario für die künftige Entwicklung der Arbeitskräftenachfrage ermöglicht es, auch auf regionaler Ebene strukturelle Änderungen des Arbeitsmarkts insgesamt darzustellen und zu quantifizieren. Für das Referenzszenario wird die Berufsstruktur der zukünftigen Nachfrage nach Arbeitskräften abgeleitet – basierend auf der von Prognos ermittelten und nach Branchen differenzierten Prognose der Arbeitskräftenachfrage. Anhand dieses Schritts lässt sich beantworten, wie sich Höhe und Struktur der Arbeitskräftenachfrage mit Blick auf einzelne Berufsgruppen – und damit auch mit Blick auf verschiedene Anforderungsprofile und Qualifikationsniveaus – verändern werden.
Die im Szenario ermittelte berufsspezifische Arbeitskräftenachfrage in den Landkreisen und kreisfreien Städten leitet sich dann zentral aus der wirtschaftlichen Entwicklung der einzelnen Branchen in den Regionen ab. Die Branchenentwicklung wird entscheidend von den makroökonomischen Rahmenbedingungen beeinflusst. Mit Hilfe des Weltwirtschaftsmodells VIEW erstellt Prognos in regelmäßigen Abständen eine Basisprognose für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands und der Weltwirtschaft (Prognos Economic Outlook, Frühjahr 2023). Die Bundeslandergebnisse von VIEW werden für die Prognose der Arbeitskräftenachfrage dann auf die Kreisebene heruntergerechnet. Mittels Daten der Bundesagentur für Arbeit zur Verteilung der Berufe auf die Branchen können dann Aussagen zur Berufsstruktur der künftigen Arbeitskräftenachfrage gemacht werden. Mit Blick auf die übergeordneten Annahmen zur wirtschaftlichen Entwicklung geht das Modell im Referenzszenario u. a. von folgenden für die Arbeitskräftenachfrage relevanten Annahmen aus:
- Bruttoinlandsprodukt: Im Durchschnitt der nächsten Jahre wird den Modellrechnungen zufolge eine durchschnittliche jährliche Zuwachsrate von 1,1 Prozent realisiert. Grund hierfür ist nahezu ausschließlich der technische Fortschritt und die damit verbundene Steigerung der Stundenproduktivität. Neben der weiter fortschreitenden Digitalisierung ist diese Entwicklung ebenfalls auf die Zunahme der Kapitalintensität der Produktion zurückzuführen.
- Privater Konsum: Der Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung und die sinkende Erwerbslosenquote führen zu einer zunehmend angespannten Arbeitsmarktlage. In der Folge steigt die Verhandlungsposition der Beschäftigten, was zu einer (mittelfristig) resultierenden Zunahme der Reallöhne führt.
- Staatskonsum: Im Betrachtungszeitraum gehen wir davon aus, dass der Staatskonsum im Zusammenspiel einer schrumpfenden Bevölkerung und der fiskalpolitischen „Schuldenbremse“ rückläufig sein wird.
- Investitionen: Der Pro-Kopf-Kapitalstock steigt im Wohnungsbau weiter an. In Summe über alle Investitionsbereiche hinweg wird der Rückgang der Bevölkerung jedoch auch hier für eine Dämpfung sorgen.
- Exporte und Importe: Bei der Entwicklung des Außenhandels macht sich insbesondere die nachlassende Wachstumsdynamik in den Schwellenländern bemerkbar. Das aus demografischen Gründen geringe Potenzialwachstum der deutschen Volkswirtschaft trägt darüber hinaus dazu bei, dass die Importquoten Deutschlands stärker ansteigen, als dies in vielen anderen Industrieländern der Fall ist. Die Nettoexporte werden daher (anteilig zum Bruttoinlandsprodukt) kaum noch zunehmen.
Digitalisierungsszenario
Grundlage des Digitalisierungsszenarios sind die vom IAB ermittelten Substituierbarkeitspotenziale nach Berufssegmenten. Diese zeigen den Anteil der Tätigkeiten in einem Berufssegment an, die als gut automatisierbar eingestuft werden. Jedes Berufssegment wird dabei in Berufe mit niedrigem, mittleren und hohen Substituierbarkeitspotenzial eingestuft. Ein hohes Substituierbarkeitspotenzial zeigt an, dass über 70 Prozent der durchgeführten Tätigkeiten automatisiert werden könnten.
Insbesondere Tätigkeiten, die hohe soziale oder kognitive Intelligenz verlangen, wie etwa Berufe in der Pflege oder in der Wissenschaft, sind dabei tendenziell schwerer zu automatisieren (Abbildung 11). Zusätzlich sind Berufe, in denen eine komplexe Manipulation der räumlichen Umgebung verlangt wird, wie Handwerks- oder Reinigungsberufe, relativ schwer zu automatisieren. Gut automatisierbar sind dagegen vor allem industrielle Berufe in der Fertigung. Aber auch ein hohes Substituierbarkeitspotenzial in einem Berufssegment deutet nicht zwangsläufig auf eine kurz bevorstehende Automatisierung des vollständigen Berufsbildes hin. Sofern für einzelne Aktivitäten weiterhin eine menschliche Arbeitskraft eingesetzt werden muss, kann auf diese Arbeitsplätze nicht (vollständig) verzichtet werden. Auch sprechen häufig Kostengründe gegen eine Automatisierung.
Fußnoten
Fußnoten
[25] Diese Annahme bezieht sich auf BMAS (2021)
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